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Klicken, um Vergrößerung zu betrachten Synagoge in Dieburg 1946
(Foto StadtA Dieburg)




Klicken, um Vergrößerung zu betrachten Programm der Einweihung der Synagoge am 29. Juli 1947



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Übersetzung des Artikels "Dieburg einmal und heute" von Schlomo Winter aus der am 6. 3. 1947 in München erschienenen, hebräisch gedruckten Zeitung "Zionistische Stimme":



Dieburg, eine kleine Stadt von 7.000 Einwohnern, ist zu den Juden sehr feindlich gestimmt. Juden sind dort schon mit Steinen beworfen worden, Scheiben wurden zerbrochen und von einem Gasthaus hat man schon herausgerufen "Juden raus".

Erst einige Jahre zurück haben in der Stadt hundert jüdische Menschen gelebt, verschiedene Zeichen davon sind noch übrig geblieben, welche bezeugen, daß einmal hier jüdisches Leben pulsierte, das durch die Nazis ausgelöscht worden ist. Auf dem Markt steht noch, mit ihrem schönen Äußern, die jüdische Synagoge, welche die Nazis in ein Lager umwandelten. Die Synagoge wird jetzt durch einen Befehl der Militärmacht der deutschen Ortsgemeinde zurückgestellt und darf dann in der nächsten Zeit als ein Gebetsort an die Juden zurückgegeben werden.

Wir haben gleichzeitig mit einem Deutschen Bekanntschaft gemacht, der noch vor der Naziherrschaft Verwalter des jüdischen Friedhofs gewesen ist und dank ihm sind uns viele Einzelheiten über die Stadt [mitgeteilt worden]. Derselbe hat sein Leben lang in der jüdischen Gemeinde gedient und hat die verschiedenen jüdischen Bräuche gekannt. Auch in der Zeit, als schon keine Juden mehr in Dieburg lebten, hat er auf dem jüdischen Friedhof gearbeitet und die Grabsteine auf den Gräbern in musterhafter Ordnung gehalten. [...] Er hat erwartet, sowohl vom jüdischen Komitee als auch von den orthodoxen Juden für seine Arbeit anerkannt zu werden. Die vielen hundert marmorne Grabsteine zeugen davon, daß es in Dieburg eine bedeutende jüdische Gemeinde gab. Der Deutsche gab auch dem jüdischen Komitee den Plan von der Synagoge, welchen er versteckt hielt; er gab auch anderes historisches Material, von welchem sich der Schreiber dieser Zeilen bedient. Er hat auch auf eine Stelle hingewiesen, wo er die heiligen Bücher sowie Bücherreste begraben hatte, damit sie von den Nazis nicht entweiht würden. [...] In der Synagoge weinten wir still im Herzen, denn wenn die Mauern hätten reden können, hätten sie uns von anderen Tagen erzählt, von der Pein und dem Leid der Juden, die von der Hand der Nazis umgebracht worden sind. Dieburg ist heute ein Lager von 4.000 Menschen, das sich erst vor vier Monaten bildete. Ein Drittel der Lagerbewohner sind kleine Kinder. Deshalb wird unser Lager 'Kinderlager' genannt. Alle wohnen in Privatwohnungen unter allgemeinen guten Wohnbedingungen.